Filesharing-Abmahnung aufgrund Fehler bei IP-Adressen

Filesharing Abmahnung wegen falscher IP-Adresse?

In den letzten Jahren werden massenhaft Abmahnungen wegen Filesharing in Deutschland verschickt. Zahlreiche Internetnutzer haben sich bereits einem solchen Anwaltsschreiben wegen Urheberrechtsverletzung in Tauschbörsen ausgesetzt gesehen. Dabei häufen sich Berichte Betroffener, niemals Tauschbörsen im Internet genutzt zu haben. Es wird dabei seitens der Betroffenen häufig vermutet, dass es aufgrund einer falschen IP-Adresse zu der Abmahnung wegen Urheberrechtsverletzung gekommen ist. Aber kann es auf Grund einer falschen IP-Adresse tatsächlich zu einer Filesharing-Abmahnung gegenüber einem „Unschuldigen“ kommen? Kann beispielsweise ein Zahlendreher in der IP-Adresse der Grund für die unerfreuliche Anwaltspost sein? Um diese Frage zu beantworten, soll nachfolgend kurz dargestellt werden, wie die IP-Adressen protokolliert und über diese dann der (vermeintliche) Anschlussinhaber ermittelt wird.

Ermittlung der IP-Adresse durch die Rechteinhaber

Die Rechteinhaber aus Musik- und Filmindustrie beauftragen regelmäßig spezialisierte Firmen (sog. Antipiracy-Firmen) mit der Überwachung von Tauschbörsen auf Urheberrechtsverletzungen hin. Diese Firmen kontrollieren die Tauschbörsen im Internet in bezug auf die Weitergabe der zu überwachenden geschützten Werke. Dies geschieht regelmäßig durch Teilnahme an den P2P-Netzwerken. Wird hinsichtlich des zu überwachenden Werkes ein Tauschvorgang festgestellt, wird die betreffende IP-Adresse des Filesharers durch die Antipiracy-Firma protokolliert und an die Rechteinhaber bzw. deren Anwälte weitergegeben.

Ermittlung des Anschlussinhabers über die IP-Adresse

Im Urheberrechtsgesetz findet sich ein Auskunftsanspruch, der bei vorausgegangener Urheberrechtsverletzung unter gewissen Umständen auch gegenüber Dritten, z.B. dem Internet-Service-Provider, geltend gemacht werden kann. Der Rechteinhaber kann von dem Dritten grundsätzlich auch Auskunft hinsichtlich des Namens des Rechtsverletzers verlangen. Kann diese Auskunft nur unter Verwendung von Verkehrsdaten, wie beispielsweise der IP-Adresse, erteilt werden, ist dazu ein Gerichtsbeschluss erforderlich (vgl. § 101 Abs. 9 UrhG). Dieser wird bei Darlegung und Glaubhaftmachung einer offensichtlichen Rechtsverletzung durch die Gerichte aber recht schnell erteilt. Die Anwälte der Rechteinhaber wenden sich also mit den protokollierten IP-Adressen and das zuständige Gericht, bekommen einen Gerichtsbeschluss, und machen mit diesem dann einen Auskunftsanspruch gegenüber dem Internet-Service-Provider geltend. Der Internet-Service-Provider prüft, an welchen seiner Kunden zum fraglichen Zeitpunkt die betreffende IP-Adresse vergeben war, und teilt die zughörigen Kundendaten den Rechteinhabern mit. Das Auskunftsverfahren läuft im Normalfall automatisiert ab. Monatlich werden nach Berichten in der Presse mehrere zehntausend Anschlussinhaberdaten mitgeteilt.

Fehler bei IP-Adressen an vielen Stellen denkbar

Der oben skizzierte Vorgang der Ermittlung der Anschlussinhaberdaten zeigt, dass eine Verwechslung bzw. Verfälschung der IP-Adressen an vielen Stellen denkbar ist. Zunächst ist es einmal möglich, dass Fehler bei der Protokollierung von IP-Adressen innerhalb der Tauschbörsen auftreten. Ferner können IP-Adressen falsch abgespeichert und / oder fehlerhaft an die Rechteinhaber bzw. deren Anwälte übertragen werden. Darüber hinaus ist es durchaus denkbar, dass auch die Internet-Service-Provider – unter anderem aufgrund der schieren Zahl an Auskunftsersuchen – falsche Anschlussinhaberdaten mitteilen. Verwechslungen, Fehler und Zahlendreher bei den IP-Adressen sowie fehlerhafte Auskünfte hinsichtlich der Anschlussinhaber sind daher nicht auszuschließen.

OLG Köln hat Zweifel an der zuverlässigen Ermittlung von IP-Adressen (OLG Köln, Beschluss vom 10.02.2011 – 6 W 5/11)

Dass es bei Ermittlung des Anschlussinhabers offensichtlich auch zu Fehlern kommt, zeigt eine Entscheidung des OLG Köln (Beschluss vom 10.02.2011 – 6 W 5/11). Dort hatte sich ein Betroffener im Rahmen einer Beschwerde gegen den zuvor ergangenen Beschluss des LG Köln nach § 101 Abs. 9 UrhG gewandt. Ein Beschluss nach § 101 Abs. 9 UrhG verpflichtet, wie oben beschrieben, den Internet-Service-Provider, für bestimmte IP-Adressen und zugehörige Zeiten die Anschlussinhaberdaten herauszugeben. Der Beschwerdeführer brachte unter anderem vor, dass Auskunft für an unterschiedlichen Tagen offensichtlich identisch vergebene IP-Adressen verlangt worden sei. Identische IP-Adressen über mehrere Tagen hinweg seien angesichts der Tatsache, dass dynamische IP-Adressen regelmäßig nach 24 Stunden neu vergeben würden, sehr ungewöhnlich, und ließen auf Fehler bei der Protokollierung und / oder Ermittling der Adressen schließen. Dieser Argumentation ist das OLG Köln im Ergebnis gefolgt und hat der Beschwerde stattgegeben.

Das Gericht führt in der Begründung der Entscheidung aus (OLG Köln, Beschluss vom 10.02.2011 – 6 W 5/11):

(…)

a) Der Auskunftsanspruch gegen den Internet-Provider gemäß § 101 Abs. 2 Satz 1 UrhG setzt voraus, dass eine Rechtsverletzung „offensichtlich“ ist. Das Erfordernis der Offensichtlichkeit in § 101 Abs. 2 UrhG bezieht sich neben der Rechtsverletzung auch auf die Zuordnung dieser Verletzung zu den begehrten Verkehrsdaten. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/5048, S. 39) soll durch dieses Tatbestandsmerkmal gewährleistet werden, dass ein Auskunftsanspruch nur dann zuerkannt wird, wenn eine ungerechtfertigte Belastung des Auskunftsschuldners ausgeschlossen erscheint (vgl. Senat, Beschluss vom 21.10.2008 – 6 Wx 2/08, GRUR-RR 2009, 9).

b) Nach diesen Maßstäben liegt eine offensichtliche Rechtsverletzung nicht vor. Die wiederholte Nennung von IP-Adressen in dem Antrag begründet erhebliche Zweifel, ob die IP-Adressen zutreffend ermittelt worden sind. Dabei kommt es nicht darauf an, ob dem Landgericht bei der Prüfung des Antrags diese Besonderheiten hätten auffallen müssen. Es genügt jedenfalls, dass die insofern maßgeblichen Umstände hätten Gegenstand der Prüfung sein können. Auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Antragstellerin werden diese Zweifel nicht ausgeräumt.

(…)

Die Entscheidung (OLG Köln, Beschluss vom 10.02.2011 – 6 W 5/11) ist hier im Blog im Volltext wiedergegeben.

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